Gesellschaft

Schweigeminute für ertrunkene Flüchtlinge „ein großer Fernsehmoment“ – Kritik an Jauch

Kritik erntete Günther Hauch wegen seines Verhaltens bei der spontanen Schweigeminute für die Opfer der Füchtlingskatastrophe im Mittelmeer am 20. April 2015. Foto: Screenshot

So etwas bekommt man im Fernsehen nur selten zu sehen: Der Gast einer Talksendung nimmt dem prominenten Moderator das Heft aus der Hand und fordert alle Anwesenden zu einer Schweigeminute für die im Mittelmeer ums Leben gekommenen Flüchtlinge auf – und Gäste wie auch Zuschauer folgen dem Aufruf. Nur der Moderator verliert auf einmal seine Selbstsicherheit, er wirkt hilf- und ratlos. So geschehen in der Sendung „Günther Jauch“ in der ARD.

Harald Höppner, der mit seiner privaten Initiative „Sea Watch“ Flüchtlinge auf See retten will, hatte die Aktion in der Live-Sendung am Sonntagabend angeregt. Thema der TV-Diskussion war „Das Flüchtlingsdrama! Was ist unsere Pflicht?“.

Statt wie geplant die Fragen von Moderator Jauch vom Publikumsbereich aus zu beantworten, ging Höppner unaufgefordert aufs Podium, um alle Anwesenden zu einer Schweigeminute für die toten Flüchtlinge aufzufordern.

Jauch reagierte überrascht. „Ich würde trotzdem gerne, bei allem Gedenken…“, versuchte er seinen Gast zu unterbrechen. Doch Höppner ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen und schon gar nicht von Jauch den Mund verbieten. „Man sollte in Deutschland eine Minute Zeit haben, um diesen Menschen zu gedenken“, erwiderte er, bevor die Runde schwieg.

Auch die Zuschauer im Gasometer machten bei der Schweigeminute mit.

Auch die Zuschauer im Studio machten bei der Schweigeminute mit. Foto: Screenshot

Die Reaktionen auf die überraschende Initiative am Montagmorgen in der deutschen Presse waren denn auch wenig schmeichelhaft für Moderator Günther Jauch.

„Jauch hatte ganz offensichtlich seine Probleme, einzuordnen, was da gerade in seinem Gasometer geschah, und hielt die 60 Sekunden ununterbrochener Stille nicht aus, weshalb es durch sein Dazwischenreden keine vollständige Schweigeminute wurde. In seiner Sendung blieb es dennoch der stärkste Moment“, schrieb die Zeitung „Die Welt“.

Derweil hieß es auf t-online.de: „Studiogast Harald Höppner gelang es, in den letzten Minuten die Regie im Gasometer zu übernehmen. Statt brav auf seinem Platz im Publikum sitzen zu bleiben und von seinem privaten Seenot-Rettungsprojekt zu erzählen, stürmte er nach vorn und erzwang eine Gedenkminute für die ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Jauch versuchte hilf- und erfolglos, den Mann seinem Fragenkatalog zu unterwerfen.“

Studiogast Harald Höppner (rechts) begegnete Moderator Günther Jauch (links) im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe. Foto: Screenshot

Studiogast Harald Höppner (rechts) begegnete Moderator Günther Jauch (links) im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe. Foto: Screenshot

Für die „Berliner Morgenpost“ war die Schweigeminute in der Sendung von Günther Jauch „ein ungeplanter Moment, der sowohl die Regie als auch den Moderator überforderte“.

Der „Tagesspiegel“ schrieb: „Die Hilflosigkeit des Moderators einer Talkshow, in der eine Minute geschwiegen wird, und diese Minute, die plötzlich alles menschlicher und würdevoller gemacht hat als all die Minuten zuvor – das war ein ganz großer Fernsehmoment. Weil alles stimmte. Weil es sich richtig anfühlte – und weil es richtig war. Und nach dieser Minute, als Jauch dann doch noch versuchte, das langweilige Spiel ‚Jauch fragt, Gast antwortet‘ zu spielen, da sagte Höppner nur, dass er nicht mehr diskutieren wolle. Und in dem Moment war der Mann bereits ein Star in den sozialen Medien.“ (cre)

Siehe auch Artikel „Erneutes Schiffsunglück: Bis zu 700 tote Flüchtlinge befürchtet“

 

38 Antworten auf “Schweigeminute für ertrunkene Flüchtlinge „ein großer Fernsehmoment“ – Kritik an Jauch”

  1. Werner Radermacher

    Ja schön, und nun? Ändert das wa? Es ist bitter für die ertrunkenen Menschen. Aber es sind nur verlogene Betroffenheitberichte der Medien und Politiker.

    Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Die EU-Außengrenzen werden für alle Menschen geöffnet. Aber was dann? Oder die Möglichkeit auf Aufnahme in Europa wird drastisch gesenkt. Es muß sich dann weltweit herumsprechen, daß Europa keine Flüchtlinge mehr aufnimmt.

      • Werner Radermacher

        In Italien sagte Daniela Santanché, eine enge Vertraute von Silvio Berlusconi: „Die einzige Lösung besteht darin, dass Luftwaffe und Marine unverzüglich ausrücken und alle Boote versenken, die an der libyschen Küste zum Auslaufen bereitstehen.“ Praktikabel? Zumindest würden dann keine Menschen mehr ertrinken.

        • @ Werner Radermacher

          Selbst einer Politikerin sollte es manchmal gelingen das Hirn einzuschalten bevor sie das Maul aufreisst.

          Der Vorschlag den Lybischen Fischern die Lebensgrundlage zu entziehen indem man ihre Boote versenkt ist total bescheuert.

          Wir, Europas Steuerzahler, bezahlen jedes Jahr 114 Millionen Euro damit die Abgeordneten des EU Parlamentes von Zeit zu Zeit auch mal in Strassburg debattieren. Dieser absurde Wanderzirkus kostet jedes Jahr so viel wie Italien für das Programm Mare Nostrum in 10 Jahren aufgewendet hat um ca 150.000 Flüchtlinge vor dem ertrinken zu retten.

          Leider wurde das Programm eingestellt weil die anderen EU Staaten sich geweigert haben sich an den Kosten zu beteiligen.

    • Jauny B.Bad

      Hut ab? Da hat sich einer der schlimmsten Heuchler der deutschen Presselandschaft auf dem Rücken hunderter elend Ersoffener einen moralischen Heiligenschein verpasst und gleichzeitig noch das gesamte Publikum in Geiselhaft genommen. Ekelhaft ist das!

  2. RaymondW

    Ja, da wurde Herr Jauch überrumpelt. Das stand nicht auf dem Plan und es war ihm deutlich anzumerken. Während der Schweigeminute sagte er leise, aber doch hörbar zu Herrn Höppner, dass er nicht dauernd auf die Uhr zu schauen brauche. Ich denke, dass Herr Jauch eigentlich nichts gegen diese Schweigeminute hatte, wohl aber, dass dieser Herr Höppner sie ungefragt einleitete. Da müsste ein Moderator drüber stehen.

      • @ tso

        Das Märchen vom Sozialsystem. Fragen Sie doch mal den von Ihnen gewählten Abgeordneten warum die Politik die Überschüsse der „Fetten Jahre“ nicht angespart sondern im Haushalt verfrühstückt hat. Diese Überschüsse könnten heute Grundlage für eine kapitalgedeckte Rente sein aus deren Erträgen sich unser Sozialsystem locker finanzieren liesse.

        • Leute wie Sie, die ständig mit Heiligenschein Phantasiezahlen in die Diskussion werfen, verschlimmern die Situation gefährlich. Sie suggerieren das Geld zur Integration einer unbegrenzten Zahl an Armutsflüchlingen läge herum, man müsse es nur aufheben. Das stimmt so nicht! Jeder € der im Sozialtransfer ausgegeben wird, muss an anderer Stelle verdient werden, und das System ist engen ökonomischen Grenzen unterworfen. Daran ändert auch keine noch so medienwirksame Schweigeminute das geringste.

    • Bitter Pitter

      Hier ein erster Vorschlag Herr Radermacher.

      SPENDENKONTO:
      borderline-europe e.V.
      GLS Bank, Bochum
      Kto-Nr: 4005794100
      BLZ: 43060967
      Stichwort: Sea-Watch (wenn möglich auch eine E-Mail Adresse im Verwendungszweck angeben (at) anstatt von @ verwenden)

      IBAN: DE11430609674005794100
      IBAN Papierform: DE11 4306 0967 4005 7941 00
      BIC: GENODEM1GLS (Bochum)

      http://sea-watch.org/spenden/

      Es ist nicht die ultimative Lösung, aber besser als die von Daniela Santanché.

  3. Doch das wird kompliziert.

    Es wird auch bei uns so langsam immer schwieriger. Meinen sie wirklich die Hiesigen würden freiwillig etwas vom auch hier immer kleiner werdenden Kuchen abgeben.

    Wenn das so ist warum dann Spenden. Warum bekommt nicht jeder einige % von seinem Gehalt oder Ersatzeinkommen direkt abgehalten. Stichwort borderline.

    • Frau Mahlzahn

      ?.

      Wieso abgeben. Es würde ja durchaus reichen, wenn wir uns nicht noch zusätzlich die Rosinen in Afrika picken, deren Fischbestände ausrotten, deren Öl in die Umwelt kippen und unser Milchpulver und Hühner dorthin verscherbeln würden um uns an den Armen noch reicher zu machen. Ich verstehe auch nicht, dass Ihr Vorwurf gegen die Ausbeutung der Sozialkassen gerichtet ist und sie nicht auf die Idee kommen zu hinterfragen, warum die Reichen nicht mehr einzahlen. Die „Weltgemeinschaft“ kümmert sich lieber um Kriege wo ein Profit drin steckt, als ein Krieg zu unterbinden, wo es ausschließlich um Menschenrechte geht. Und ja, ich sehe es als reinen Zufall an, dass der Storch mich hier abgesetzt hat. Sie tuen ja gerade so, als hätten Sie persönlich unser sein beeinflusst. Aber was soll’s. Uns stört doch nur, dass das Elend so nah kommt. Es ist uns lieber wenn die Menschen anonym verhungern oder erschossen werden.

    • @ !.

      Das wird nur deshalb kompliziert weil es die Politik in der Hand hat.

      Eine Entwicklungshilfe die diesen Namen auch verdient könnte dafür sorgen das Menschen in „Unterentwickelten Gebieten“ eine Grundlage zur Nahrungsbeschaffung und Auskommen haben.

      Ein Verbot von Waffenexporten und eine konsequente Verfolgung von Waffemnschmuggel könnte eine menge Bürgerkriege verhindern

      Ein bisschen mehr Menschlichkeit und weniger Zynismus und Egoismus wären vielleicht auch hilfreich.

      • Ein Verbot von Waffenexporten ist so wirksam wie das Importverbot von Kokain. Wo eine Nachfrage ist, ist auch immer ein Angebot. Schon mal gefragt wieso die Afrikanischen Milizen alle aus gut genährten und bis an die Zähne bewaffneten jungen Männern bestehen, während um sie herum alle hungern? In Afrika kann man an jeder Ecke eine Kalaschnikov kaufen, auch wenn die Fleischtöpfe alle leer sind….

  4. ich hab da noch was!

    @ dax, im grunde gebe ich ihnen recht, was aber die waffenindustrie anbelangt, so sind es waffen aus ganz Europa (auch Belgien), nicht nur kalaschnikovs. hersthal hatte in seinem Jahresbericht bekannt gegeben, noch nie so viele waffen exportiert zu haben, wie in 2014. Geldüberweisungen, wie bitter pitter sie fordert, auf borderline-konten sind ein fass ohne boden. wo sind denn die millionenbeträge für Haiti versackt? glauben die forenschreiber denn wirklich, dass reiche leute (Millionäre und Milliardäre) sich eine Minute lang Kopfzerbrechen für solche Vorkommnisse machen? die haben ganz andere sorgen…..

  5. die wahrheit

    Die Frage muss lauten, warum kommen die Flüchlinge gerade immer nach Europa und fliehen nicht in afrikanische oder asiatische Länder????? wo es sich auch nicht schlecht leben lässt???

    Eine andere Frage -liegt es an unserer Freizügigkeit finanzieller Art?wenn ja, wie lange hält unser Sozialsystem so was aus? Also – kurz gesagt- wenn der Geldhahn abgedreht wird, wie viele wollen dann noch kommen? Das muss getestet werden.

  6. Jauny B.Bad

    Was ich nicht verstehe: Die Summen, die den Schleppern (Menschenhändlern) gezahlt werden, variieren gerüchteweise zwischen 1.500 US-Dollar und 30.000 Euro. Das ist ein Preis, zu dem man sich ganz locker ein Flugticket kaufen und wohl auch noch sämtliche (eh korrupten) Zöllner im Herkunftsland bestechen könnte. Vermutlich gibt’s dazu auch noch falsche Papiere. Woher haben die gut genährten jungen Herren (sind ja fast nur solche) auf den Boten so viel Geld und wieso nutzen sie nicht den von mir vorgeschlagenen Weg der Einreise?

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