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Nach dem Wiener Kongress vor 200 Jahren kamen Eupen und Malmedy zu Preußen

Zentraleuropa nach dem Wiener Kongress 1815. Rote Markierung ist die Grenze des Deutschen Bundes (Erklärung am Ende des Artikels). Grafik: Wikipedia

Es ist ein Jubiläum, das zumindest bisher wenig Beachtung gefunden hat. Dabei war das, was vor genau 200 Jahren passierte, für das heutige Ostbelgien von großer Bedeutung: Durch den Wiener Kongress im Jahre 1815 wurden Eupen und Malmedy an Preußen übertragen. Für die hiesige Bevölkerung war die damalige Zeit alles andere als wohltuend.

Der „Vaterlandswechsel“ von 1815 sollte nicht der letzte in der Geschichte unseres Gebietes gewesen sein, denn gut 100 Jahre später, nach dem Versailler Vertrag 1920, fielen Eupen und Malmedy an Belgien.

Der Wiener Kongress vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815 legte in Europa zahlreiche Grenzen neu fest und definierte neue Staaten. Anlass war die Niederlage von Napoleon Bonaparte, der in den Koalitionskriegen im Gefolge der Französischen Revolution die politische Landkarte des Kontinentes erheblich verändert hatte.

Dr. Herbert Ruland, Leiter des Fachbereichs GrenzGeschichteDG der Autonomen Hochschule, hat sich mit den Folgen des Wiener Kongresses 1815 für die heutige DG intensiv beschäftigt.

Wenig Anlass, mit neuem Staat zufrieden zu sein

Das Originaldokument des Wiener Kongresses, das heute im österreichischen Staatsarchiv in Wien exponiert ist. Foto: Wikipedia

Das Originaldokument des Wiener Kongresses, das heute im österreichischen Staatsarchiv in Wien exponiert ist. Foto: Wikipedia

In einem Artikel „Die Geschichte der Region bis 1945“ schreibt Ruland zum „staatlichen Hin und Her“ des heutigen Ostbelgien unter anderem: „Der Wiener Kongress brachte dieses Gebiet an Preußen. Wie wenig dabei auf Sprach- oder Volkstumsgrenzen Rücksicht genommen wurde, belegt schon die Tatsache, dass auch die fast ausschließlich wallonischsprachige Stadt Malmedy und umliegende Dörfer zu Preußen kamen.“

Etwas weiter geht Ruland in dem Artikel auf die wirtschaftliche Situation des Gebietes ein: „Mit dem Ende der französischen Herrschaft und der Unterstellung des Gebietes um die Städte Eupen, Malmedy und St. Vith unter preußische Regierungsgewalt setzte gerade in Eupen ein nur von kurzen Aufschwungsphasen unterbrochener, wirtschaftlicher Niedergang ein, der bis in die dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts anhalten sollte.“

Rulands Fazit: „Die einfachen Menschen im 19. Jahrhundert hatten auf Grund der ökonomischen Verhältnisse wenig Anlass, mit den neuen Gegebenheiten zufrieden zu sein.“

Erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts setzte laut Ruland eine deutlich feststellbare Meinungsänderung beim größten Teil der Bevölkerung von Eupen und Malmedy ein. „Der Kulturkampf war weitestgehend überwunden und die Durchführung der von Bismarck veranlassten Sozialgesetzgebung, insbesondere die Einführung der Alters- und Invaliditätsversicherung, wurde von der hier so zahlreich vorhandenen Arbeiterbevölkerung wohlwollend angenommen“, so der Historiker.

Die Geburt eines Kleinstaats: Neutral-Moresnet

Dr. Herbert Ruland, Leiter des Fachbereichs GrenzGeschichteDG an der Autonomen Hochschule. Foto: OD

Dr. Herbert Ruland, Leiter des Fachbereichs GrenzGeschichteDG an der Autonomen Hochschule. Foto: OD

In seinem Artikel weist Ruland auch auf ein Kuriosum hin, das historisch allerdings von großer Bedeutung war. Es geht um die Ortschaft Kelmis, in der seit undenklichen Zeiten Galmei abgebaut wurde – eine Erzmischung aus Zinkkarbonat und Zinksilikat, die für die Kupfer- und Messingherstellung unerlässlich ist.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Vorkommen so bedeutsam, dass sowohl die Vereinigten Niederlande als auch Preußen den Ort für sich beanspruchten. Da es zu keiner Einigung kam, beschlossen die beteiligten Mächte 1816 in Aachen, der Ortschaft ein neutrales Statut zu geben, das beiden Staaten die gleichen Rechte zusprach. So entstand das plattdeutschsprachige Neutral-Moresnet, das unter niederländisch-preußische (ab 1830 preußisch-belgische) Doppelverwaltung gestellt wurde. (cre)

Unter folgendem Link können Sie den Artikel „Die Geschichte der Region bis 1945“ von Dr. Herbert Ruland in voller Länge lesen:

http://www.grenzgeschichte.eu/archiv/Geschichte_der_Region.pdf

ERKLÄRUNG ZU EUROPA-KARTE OBEN: Die rote Markierung ist die Grenze des Deutschen Bundes. Der Deutsche Bund war ein Staatenbund in Form eines „beständigen Bundes“, zu dem sich im Jahr 1815 die „souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands“ mit Einschluss des Kaisers von Österreich und der Könige von Preußen, von Dänemark und der Niederlande vereinigt hatten. Der Bund wurde am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress (1814–1815) ins Leben gerufen, um Bestandteil einer neuen europäischen Friedensordnung zu sein. (Quelle: Wikipedia)

13 Antworten auf “Nach dem Wiener Kongress vor 200 Jahren kamen Eupen und Malmedy zu Preußen”

  1. Vereidiger

    Ruland liest die Geschichte stets durch eine gefärbte Brille. Wenn er schon zu Beginn seiner Ausführungen von einer Nichtberücksichtigung der sprachlichen und „volkstümlichen“ Gegebenheiten spricht, dann hat das kaum etwas mit den damaligen Überlegungen zu tun. Er kommt damit immer, wenn es um „Preußen“ geht. Wo bleibt seine Aufregung über die Nichtberücksichtigung von Sprache und Kultur in der Zeit der Franzosen oder in den vorherigen Staatengebilden? Nie ein Wort darüber verloren. Nein, das Unrecht hat ja erst mit den Preußen angefangen… Herr Doktor, warum sind die Zugehörigkeiten vor 1815 keine entsprechende Auswertung wert?

    • @Vereidiger: Anstatt Dr. Ruland’s interessante Ausführungen einfach zu kritisieren, schlage ich Ihnen vor, doch mal selbst eine Arbeit über „…die Nichtberücksichtigung von Sprache und Kultur in der Zeit der Franzosen oder in den vorherigen Staatengebilden…“ zu schreiben. DAS wäre doch mal ein konstruktiver Beitrag, oder ?

      • Dümmer geht es wohl nicht. Man soll also nur kritisieren dürfen, was man selber macht. Wenn das Auto nicht richtig repariert wurde, nur kritisieren, wenn man selber Mechaniker ist, wenn der Arzt aus Versehen das Bein abgesägt hat, nicht beschweren, außer man hat selber Medizin studiert.

        Tssstsstss…

  2. gerhards

    „Ein Jubiläum das wenig Beachtung findet “ wie richtig. Warum wohl?? Weil sich unsere Kaiserlichen Vorfahren und das was danach kam wie Hooligans durch die Nachbarschaft gezogen sind. Das wirkt halt noch nach und, ich vermute, dass es den nun den stolzen Belgiern hier wohl unangenehm ist das ihre Vorfahren zu diesen Hooligans gehörten. Trotzdem finde ich, dass wir uns der Geschichte und unserer Herkunft stellen können. Was ist schon dabei zu sagen, ja ich bin deutscher belgischer Nationalität . Für mich kann ich sagen, ich bin gerne Belgier mit deutscher Kultur. Wenn jeder Wallone und Flame das akzeptiert und natürlich umgekehrt, bin ich lieber Belgier.

  3. Georg Kremer

    Bei allem Respekt und Sympathie für die wichtige Arbeit meines Freundes Dr. Herbert Ruland, aber manche Behauptung finde ich doch etwas gewagt („wirtschaftlicher Niedergang“, „Regierungsgewalt“, …). Gerade so, als ob zur Franzosenzeit hier Milch und Honig geflossen wären. Neben der Sozialgesetzgebung wurde in der Rheinprovinz z.B. bereits im Jahre 1825 die Schulpflicht eingeführt; in Belgien erst nach dem 1. WK. Ich glaube auch nicht, dass das wallonische Malmedy unter dem „preußischen Joch“ gelitten hat. Als Kreisstadt mit Bischofssitz erlangte es immerhin respektable Bedeutung. Ich erinnere mich noch an den Glanz in den Augen meines Großvaters, der mit Stolz berichtete, er sei 1888 im Drei-Kaiser-Jahr geboren. Wahrscheinlich muss man Deutscher sein, um zu solchen Schlussfolgerungen wie HR zu kommen. Diese 105 Jahre haben ganz wesentlich zu unserer kulturellen Identität beigetragen und auch zu diesem Teil der Geschichte sollten wir uns bekennen – ohne wenn und aber.

  4. Réalité

    Unsere Vorfahren haben ganz sicher etwas von der Preussischen Jründlichkeit von damals mitbekommen,uns bleibt dadurch noch immer ein wenig davon übrig!
    Nur einige von uns haben einiges davon vergessen.
    Die halten sich nicht mehr daran,und vergessen mal Zahlen die sie vor paar Wochen aussprachen und sich danach nicht mehr dran erinnern,wohl sagen die anderen wären es schuld gewesen.
    Andere schoben es auf die lange Bank und freuten sich auf Nikolaus im nächsten Jahre…..
    Dinge jibt et!?Alles andere wie Preussische Gründlichkeit.

  5. Graf Ortho

    Während meiner Schulzeit in den Sechzigern wurde in keiner Weise auf die Geschichte unserer Heimat eingegangen.

    Dafür durften wir uns umso ausführlicher mit Cäsar und den tapferen alten Belgiern, Gottfried von Bouillon, den 600 Franchimontesen, der Schlacht der Goldenen Sporen und König Leopold III., der den heidnischen Kongolesen die Zivilisation und das Christentum gebracht hatte, beschäftigen.

    Wie steht es damit im heutigen Unterrichtsprogramm?

    Kleine Randnotiz zu „Das Originaldokument des Wiener Kongresses, das heute im österreichischen Staatsarchiv in Wien exponiert ist.“

    Der Duden definiert „exponieren“ so: „in eine der Aufmerksamkeit oder möglichen Angriffen, Gefahren ausgesetzte, ungeschützte, besonders herausgehobene räumliche Lage oder Stellung bringen“

    Das Wort „exposieren“ gibt es leider nicht, wäre aber sicher angebrachter. Warum nicht einfach „ausgestellt“?

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