Leserbrief

Johann Klos: Super Neoliberalismus „à la belge“

Das wir weder richtige Wallonen noch Belgier sind, erkennt man schon daran, dass es den meisten einen Sch… interessiert, was sich da auf föderaler Ebene gesucht und gefunden hat.

Das Bündnis aus LinkedIn-, Twitter- und Facebook-Politikern, die nach Ansicht von Frau Gwendolyn Rutten (Präsidentin von Open VLD) schon deshalb gemeinsam durch dick und dünn gehen wird, weil sie doch alle etwas gemein haben. Wer jetzt was Tiefsinniges erwartet – denkste: Kinder ist das Schlagwort.

Diskriminierung scheint für föderale Politiker kein Hemmschuh mehr zu sein, wenn man ungestraft durch die Medien posaunen darf, dass Charles, Wouter, Bart und Gwendolyn alle so um die 40 sind und das die alten Säcke so oder so nicht mehr gebraucht werden, da es endlich an der Zeit ist, den Scheiß der letzten 40 Jahre zu vergessen.

Die neue Ausrichtung laut Frau GR tendiert zu der Weisheit: Wir wollen gemeinsam mit den Liberalen eine Politik gestalten für diejenigen, die weiterkommen wollen im Leben.

Wer will das nicht! Nur für viele ist dieser Schuh zu groß. Pech gehabt, zumal man in Regierungskreisen offen zugibt, gewisse Sympathien für die Politik der CDU zu hegen. Harz 4 „à la belge“ wird dann wohl das Licht der Welt erblicken.

Ohne bleich zu werden, verkündet die Dame, dass es out ist, sich den Luxus zu leisten, gewisse noch staatliche Betriebe nicht zu privatisieren. Bei der SNCB ist ihr der Krankenstand zu hoch, das reicht schon, um den Laden abzuschieben.

Erschreckend ist für mich, dass sie als Beispiel ihrer New-Economie ausgerechnet das „Uber“ (größtes Taxiunternehmen weltweit) anführt. Bestes Beispiel für eine Verherrlichung des Neo-Liberalismus. Sie sollte sich vielleicht mal den Song anhören „Der Job ist so mies, doch ich brauch' den Kies“. Auch der Film „Taxi Driver“ spricht Bände für die Verherrlichung solcher Unternehmen. Es gibt Kenner der Materie, die behaupten, dass Uber groß wurde durch Lohndumping, Schwarzarbeit, Datenschutzverletzungen, unlauteren Wettbewerb und Bedrohung der Pressefreiheit.

Jetzt sind wir angekommen, wo so viele gar nicht hin wollten. Ein System, wo der Neoliberalismus die Grundlagen der Demokratie durch Marktkriterien wie Kosten-Nutzen-Verhältnis, Effizienz und Rentabilität ersetzt. Menschen, welche in Zukunft nicht mehr in den Verwertungskatalog dieser „dynamischen Politiker“ passen, werden über kurz oder lang, bedingt durch mangelnde Nutzbarkeit, weggeworfen.

Oder noch besser für die Versteher hier im Forum: Wir machen einen großen Schritt übers Wasser zu unseren englischen Freunden und können uns so langsam an eine Fassadendemokratie, hinter der sich nichts anderes verbirgt als die neue westliche Regierungsform des Finanzfeudalismus, erfreuen.

Was diese Linkedin-Generation nicht berücksichtigt – oder es ist ihr „Jacke wie Hose“ – ist die Tatsache, dass sich in allen Bereichen immer mehr Monopolunternehmen bilden, die dann zu Lasten des kleinen Mannes die Preise diktieren werden.

Allen Versprechungen zum Trotz heißt Privatisierung früher oder später nicht nur Verschlechterung, sondern auch drastische Preiserhöhung.

Für die meisten Bürger ist der Staat das tief eingefressene Feindbild. Dafür gibt es gute beziehungsweise schlechte Gründe: hohe Steuern, bürokratische Gängelei, Bürgerferne. Gewiss! Aber sind denn Großunternehmen besser?

Sicher, auch mir ist bekannt, dass seit vielen Jahrzehnten bei staatlichen Unternehmen der Zwang zur Rentabilität und mithin zur Effizienz einfach gefehlt hat und heute noch fehlt. Das kann man durch neue Strukturen ändern, wenn man den dazu willens ist.

Ein Staat ohne staatliche Daseinsvorsage, wie sich diese Herrschaften vorstellen, ist kein Staat.

Vielleicht zeigt schon das allzu eingebürgerte oberflächliche „Ge-twittere“, dass kurzer Satzaufbau Gehirnmasse kostet.

24.5.2015 Johann Klos, Eupen

9 Antworten auf “Johann Klos: Super Neoliberalismus „à la belge“”

  1. Immer schön langsam. Fortschritte sind ja erkennbar. Wir wissen das es Sint Truiden, Lierse, Brügge und andere gibt mit denen wir uns nun rumschlagen müssen. Wenn die von Ihnen aufgezählten Personen mal durch den einen oder anderen Spielzug auf sich aufmerksam machen haben wir immer noch genug Zeit uns damit auch noch zu beschäftigen.

  2. Baudimont

    Neoliberalisme ist die Sozialdemokratie (Klientelismus) !

    Sozialdemokratie in Belgïen oder Europa denkt in Kategorien von Großunternehmen und privilegiert sie, weil ihre Klientel und ihre Funktionäre eng mit der Industrie verknüpft sind.
    Die geschaffenen Sozialstandards, die auf die Arbeitsplatzsituation in Großunternehmen zugeschnitten sind, belasten grundsätzlich die übrige Wirtschaft.
    Da nur mit Größe die Kosten der Vorschriften und Standards kompensierbar sind, wirkt die Erhöhung dieser Standards wie eine Subvention für Großunternehmen, Mit dieser Politik, die zwangsläufig zu Marktungleichgewichten zu Lasten kleinerer Unternehmen führt wird der internationale Großkapitalismus erst in den Sattel gehoben und gefördert.
    Ein schönes Beispiel dafür ist der bürokratische Unsinn, der als Verbraucherschutz daherkommt in Form der Umsetzung der Vermittlerrichtlinie, sowie die Vorschläge zur Novellierung des Versicherungsvertragsgesetzes, aber praktisch nur eine Beweisumkehr in Streitfragen verursacht (Damit die Kosten massiv erhöht), viel Papier erzeugt, damit das Risiko für kleinere Unternehmen steigert, ohne dass die Qualität der Vermittlung auch nur ansatzweise verbessert wird.
    Wenn also von neoliberal die Rede ist, so kommt es stark darauf an, wer für wen dies fordert.
    Was wir brauchen ist mehr Liberalität für Mittel- und Kleinbetriebe, keine Freiheiten für Konzerne, die aufgrund ihrer Marktmacht ohnehin privilegiert sind und hochsubventionierte Arbeitsplätze als Erpressungspotential gegenüber dem Staat gebrauchen.
    Die Folgen dieser Politik durch Steuererhöhungen zu kompensieren, die eh der Mittelstand und die Arbeitnehmer aufzubringen haben.

    Uber
    Die Monopole müssen fallen. Alle!

    Taxiunternehmen sind in Belgien ein quasi-monopol.
    Die preise sind festgelegt, darunter leidet die Qualität. Dadurch dass die Konzession auch nicht jeder machen kann, wegen zahlenmäßiger begrenzung, wird es aber zum Nachteil der Konsumenten,
    Lass den Kunden doch bitte selbst entscheiden.

    Afsca
    „Suite à un contrôle de l’Afsca, la fromagerie La Bergerie des Aris, à Dison, a stoppé sa production. Le patron en a ras-le-bol“
    http://www.lavenir.net/cnt/DMF20150520_00652540

    http://www.rtl.be/info/belgique/faits-divers/la-guerre-du-fromage-de-herve-continue-l-afsca-descend-une-nouvelle-fois-a-la-fromagerie-munnix-a-battice-723552.aspx

  3. Öppe Alaaf

    So fühlt es sich also an, auf der Schwelle zu einer großen Zeit!

    Da haben wir also miterlebt, wie die Lebensmittelindustrie in den letzten Jahrzehnten es geschafft hat, immer mehr Menschen zu immer geringeren Preisen zu ernähren. ..und wenn sie dies zu lange tut und dabei zu groß wird, wird sie zerfetzt. …Gut so!

    Doch leider ist die Strategie anscheinend: Monopole müssen durch neue Monopole ersetzt werden! …clever? Die neuen Monopole, wie Facebook, Uber, Apple, etc. fühlen sich ja zugegebenermassen gut an, aber das war sicher auch so, als die Kriegsgeneration die ersten Care-Pakete mit Waren der amerikanischen Nahrungsmittelindustrie bekam.

    Lösung: Mehr Privatisierung?
    Privatisierung heißt doch nur, ein komplexes System hart am Rande des Zusammenbruchs zu managen, um maximale Rendite zu generieren. Um dies zu verhindern müssen Firmen streng überwacht werden. Bereit einen kleinen Staat zu akzeptieren, dessen Hauptanliegen die Überwachung der Einheit von Marktregeln ist? Staatliche Bespitzelung, die ich als Wähler auch noch fordere…5 Klos Ausschlag auf meinem neuen Bullshit-Detektor.

    Mehr Staat?
    Wir haben anscheinend ein Rentenproblem in Belgien…anders als unsere deutschen Nachbarn, deren private Renten gerade vom Weltmarkt in den Orkus gesandt werden, haben sich die belgischen Rentner noch nicht auf den Schock eingestellt, der sie spätestens in ein-zwei Jahrzehnten treffen wird. Wird die SNCB privatisiert, muss der Rentner in Zukunft zu Fuß laufen. Im übertragenden Sinne: 40 Jahre hat er gearbeitet, um die Schienen zu legen, die nun an ein anderes Monopol verkauft werden, um Schulden zu bezahlen, die er nicht gemacht hat. …und am Ende soll er den Liberalen „Danke“ sagen?…Ausschlag 7,5 Klos!

    Weniger vom Mehr?
    Ich denke, dass es drei grundsätzliche Ströme gibt, die in der Organisation eines sozialen Systems im Mittelpunkt stehen: Soziologie, Ökologie und Ökonomie. Stellen Sie sich ein Dreieck vor, dass durch diese drei Punkte gebildet wird. Kann es sein, dass unsere aktuellen politischen Systeme auf der Spitze „Okonomie“ trohnen? Und Ecolo seine Prinzipien dem Markt opfert und die SP nur den eigenen Vorteil im Blick hat? Und der Liberale noch mehr Liberalismus verlangt, weil sich in der Ecke des Dreiecks zu viele Menschen tummeln?…Batterie vom Detektor leer.

    Wir sind an der Schwelle zu einer neuen Zeit. Nennen Sie mich „Gutmensch“, aber ich fordere mehr Staat! Europäischen Staat! …und eine staatliche Strategie, die nicht die Anspitzung des Dreiecks verlangt, sondern ausgewogen ist. Die Ökonomie wird überbewertet und ist nicht alternativlos.

    Herr Klos, Sie sind Politiker, ich Wähler: Warum sollte ich Ihre Partei wählen?

    • gerhards

      Ganz einfach, die Politik der CDU hat Deutschland durch jede Krise der letzten Jahre gebracht. Sprich, die Wirtschaftskrise hat es dort schlichtweg nicht gegeben. Einen Haushalt ohne Neuverschuldung, bei uns undenkbar. Die deutschen sind leidensfähig, ebenfalls bei uns undenkbar. Der Rest Europa s platzt vor Neid, deshalb auch letzter Platz beim ESC, sie werden es verschmerzen.

    • Johann Klos

      Guten Abend,

      Bis zu den nächsten Wahlen bleibt ja noch etwas Zeit.

      Wie in einem guten Roman sollte von Kapitel zu Kapitel eine Steigerung erkennbar sein, um den Leser nicht dazu zu animieren das Buch in die Ablage zu legen.

      Es erfreut mich, dass auch andere erkennen, dass ein hundertprozentiger Sinneswandel von Nöten ist.

      Nur so viel zu Ihrer Frage.

      Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfüllt keine Partei die Kriterien um ein solches Unterfangen zum Wohle seiner Bürger vom Ansatz her auch nur anzudenken.
      Es gibt zwei Parteien welche die Grundlagen für eine solche Vision mitbringen.
      Zum einen die Humanisten (welche nach Herrn Bart de Wever verkorkste Sozialisten sind, die zusätzlich Sonntag noch die Messe besuchen) und eine sozialdemokratische Linke, mit einem ausgeprägten Sinn für eine ökologisch ausgerichtete Marktwirtschaft gemäß dem von Ihnen kitzierten Dreieck.

      Die Umsetzung müsste zuerst durch einen zu erstellenden Verhaltenskodex reglementiert werden, welcher in die Statuten der Parteien übernommen werden müsste, um alle notwendigen Kriterien zu berücksichtigen damit ein Ausscheren durch juristisches Belangen des einzelnen Abweichlers, nicht nur ermöglicht wird, sondern zur Regel wird.
      Die Besetzung der maßgeblichen Gremien erneut verstaatlichter strategischer wichtiger Unternehmen (Stichwort Daseinsfürsorge) sollte durch einen Wirtschaftsrat erfolgen, ohne parteipolitischen Zwängen zu unterliegen.

      Es wird wohl selbst in den eigenen Reihen eine Menge Sympathisanten geben welche sich dem Senfgeber anschließen werden und sich auch einen Bullshit-Detektor zulegen werden.

      • Réalité

        @Johann Klos

        Sie sind als einziger unser so viel zu grossen Politikergilde sehr aktiv hier bei OD.
        Alle anderen haben nicht den mut,noch die Kapazitäten dazu.Dafür zumindest gehört Ihnen Anerkennung.
        Nur,Sie haben es echt schwer hier im Forum!
        Sehr viele wiedersprechen Ihnen,so u a auch ich selbst.
        Nun,dass ist umso logisch weil unsere Politiker die Bürger schwer enttäuscht haben.Und das nicht nur die letzten Jahre.
        Dieser Beruf glänzt vielmehr durch seine Selbsverherrlichung,seine Apathie,seine Machtgier usw als wie durch das was sehr viele Leute sich vorstellen von einem/einer Politiker/in.
        Viele ihrer Taten,deren Folgen,sowie ihre Eigenversorgung unterstreichen das ganze durch die Realität und die Ergebnisse sowie die Zustände von heut zu Tage.
        Dies gilt für manche mehr,für manche weniger.
        Das gilt auch für alle Parteien gleich welcher Richtung.
        A propos Parteien,da brauch sich keiner mehr dran fest zu machen.Die sprechen doch ALLE durch den selben Lautsprecher.
        Vielmehr orientiert sich der heutige noch einigermassen eingestellte Bürger und Wähler nach der Person.
        Viele kann ich Ihnen nicht nennen,nicht National,nicht Föderal und auch nicht Regional.
        Doch eine einzige!
        Das ist die Frau Maggi De Block.Diese Dame macht ihrer Figur so richtig die Ehre.
        Sie steht zu ihrem gesagten und handelt danach.
        Solche Leute braucht das Volk.
        Es würde jetzt zu lang alles zu verbessernde an zu führen.
        Eines steht fest.Ein jeder arbeitende Mensch stellt sich täglich die Frage:
        Wie kann ich meinem Unternehmen,meiner Familie,den Kindern weiter helfen,die Zukunft sichern usw.
        Würde die Politik dasselbe denken?Nein,nach heutigem Stande sicher nicht.
        Sie denkt eher und zuerst an sich selbst!
        Obschon der Auftrag des Wählers,gerade das Gegenteil bewirken sollte!
        Einzig daran liegt es.

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