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Vom „Flüchtlingskind“ zum Fußballstar: Enzo Scifo wird 50 [VIDEO]

Enzo Scifo vor einem Länderspiel mit der belgischen Nationalmannschaft 1991. Foto: dpa

Bis zu dem Zeitpunkt, wo in Belgien der Stern der „goldenen Generation“ um Kevin De Bruyne und Eden Hazard aufging, war Enzo Scifo vielleicht der beste belgische Nationalspieler aller Zeiten. An diesem Freitag, dem 19. Februar 2016, feiert der Sohn italienischer Einwanderer, die nach Belgien zogen, weil sie im armen Süden Italiens keine Arbeit fanden, seinen 50. Geburtstag.

Lange Zeit konnte sich „Vincenzino“ nicht entscheiden, ob er die belgische Staatsbürgerschaft annehmen sollte. Seine Profikarriere beim RSC Anderlecht hatte bereits begonnen, da träumte Scifo immer noch davon, für den damaligen Fußball-Weltmeister Italien zu spielen. Schließlich entschied er sich für Belgien und die Roten Teufel.

International ging Scifos Stern bei der EM 1984 auf, als er im ersten Spiel gegen Jugoslawien die Fußballwelt begeisterte. „Einer wie Beckenbauer“, schwärmte damals eine deutsche Presseagentur.

1984 wurde Scifo Belgiens „Fußballer des Jahres“. Der nächste Höhepunkt in seiner Karriere war 1986 der 4. Platz mit Belgien bei der Fußball-WM in Mexiko. Er war damals erst 20.

1987 folgte der Wechsel vom RSC Anderlecht, mit dem er 1985, 1986 und 1987 Landesmeister geworden war, nach Inter Mailand, wo er sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Scifo war vor lauter Italien-Liebe viel zu früh in die damals beste Liga der Welt gewechselt.

Enzo Scifo heute. Foto: Belga

Enzo Scifo heute. Foto: Belga

Er sollte trotzdem eine fantastische Fußballer-Karriere hinlegen mit der Teilnahme an vier WM-Endrunden (1986, 1990, 1994 und 1998). Leider hatte der Italo-Belgier einen traurigen Abgang von der internationalen Bühne, als er sich bei der WM 1998 in Frankreich mit Nationaltrainer Georges Leekens anlegte, was der gesamten Mannschaft der Roten Teufel, die bereits in der Vorrunde scheiterte, nicht gut bekam.

Trotzdem kann Enzo Scifo heute auf eine Länderspielkarriere zurückblicken, die er nicht erreicht hätte, wäre er seinerzeit nicht Belgier geworden. 84 Länderspieleinsätze für Belgien (19 Tore).

Seine beste Zeit hatte Scifo in Frankreich. Bei Girondins Bordeaux, AJ Auxerre und dem AS Monaco wurde er zu einer festen Größe. Zwischendurch war er nach Italien zurückgekehrt. Mit dem AC Turin gewann er 1992-1993 den italienischen Landespokal. Den ganz großen Durchbruch zum Weltstar, den man ihm noch Mitte der 80er Jahre zugetraut hatte, schaffte er jedoch nicht.

Seine aktive Karriere als Spieler beendete Scifo unweit seiner Heimatstadt La Louvière: beim Sporting Charleroi. Bei den „Zebras“ startete er auch seine Trainerkarriere, die bisher allerdings noch keinen nennenswerten Erfolg gebracht hat.

Nach Charleroi versuchte Scifo sein Glück beim AFC Tubize, bei Excelsior Mouscron und beim RAEC Mons. Inzwischen ist er Trainer der belgischen U21-Nationalelf.

Aus großen Spielern werden nicht immer auch große Trainer… (cre)

Nachfolgend ein VIDEO mit fast allen Toren, die Enzo Scifo in seiner Länderspielkarriere für die belgische Nationalmannschaft erzielte, mit der er an vier WM-Endrunden teilnahm (1986, 1990, 1994 und 1998):

34 Antworten auf “Vom „Flüchtlingskind“ zum Fußballstar: Enzo Scifo wird 50 [VIDEO]”

  1. Kein Eupener

    Heutzutage hätten den hier einige als Wirtschaftsflüchtling direkt wieder in seine Heimat geschickt und das mitfiebern bei Welt- und Europameisterschaften wäre um einiges langweiliger gewesen. Welch eine Ironie.

    • Ostbelgien Direkt

      Der Begriff „Flüchtlingskind“ steht ja auch zwischen Anführungsstrichen. Er ist also eher eine Umschreibung. Enzo Scifo war Sohn von Einwanderern, die nach Belgien gezogen sind, weil sie in ihrer italienischen Heimat keine Arbeit fanden. Heute würde man diese Immigranten als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnen. Enzo Scifo war also gewissermaßen das Kind von Flüchtlingen, also ein „Flüchtlingskind“ (wie gesagt, zwischen Anführungsstrichen). Gruß

      • Ostbelgien Direkt

        Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ hat heute eine negative Konnotation. Damals war dies nicht der Fall, denn man war froh, dass Einwanderer aus Italien (vor allem Sizilien) oder aus Polen bereit waren, die Drecksarbeit in den Kohlegruben im Hennegau, in Lüttich oder in Limburg zu machen. Gruß

  2. Carl Schumacher

    So weit ich informiert bin wurden die Gastarbeiter von belgischen Firmen in Italien angeheuert und kamen mit Arbeitsvertrag nach Belgien. Sie sind also keineswegs „geflüchtet“ und mitnichten als „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu bezeichnen. Es waren im Ausland angeheuerte Arbeitskräfte die legal und eingeladen nach Belgien kamen und sofort in den Arbeitsmarkt integriert wurden.

    • Ostbelgien Direkt

      @Carl Schumacher: Dann waren es eben organisierte Wirtschaftsflüchtlinge. Sie kamen in der Tat mit Billigung von Ländern wie Belgien und Italien. Fakt ist aber, dass die Einwanderer von damals nach Mitteleuropa kamen, weil sie in ihrem Heimatland keine Arbeit hatten. Das war auch für die Familie Scifo der Fall, die im armen Sizilien keine Arbeit hatte. Gruß

      • Ostbelgien Direkt

        Übrigens: Das zwischenstaatliche Abkommen, das seinerzeit zwischen Belgien und Italien über den Import von italienischen Arbeitskräften nach Belgien ausgehandelt wurde, ist vergleichbar mit dem, was Angela Merkel bzw. die EU heute mit der Türkei anstreben, nur dass es heute eher darum geht, Einwanderung (von der Türkei in die EU) zu verhindern. Gruß

      • Wahl, Joachim

        Nein OD, Herr Schumacher hat absolut präzise analysiert. Es waren keine „Flüchtlinge“. Sie folgten einer Einladung. Diese Arbeitsbeschaffung war gewollt und geplant. Was heute passiert, ist unkontrolliert und ungeplant. Diese Tatsache soll allerdings das menschliche Elend, was damit einhergeht, nicht verharmlosen.

      • Der Herr Scifo hat damals diese ihm sich bietende Möglichkeit Arbeit zu bekommen genutzt und ist nach Belgien ausgewandert. Seine Heimat, so denke ich mal, hat er und seine Familie aber bestimmt so oft wie eben möglich besucht. Die Tatsache, dass sein Sohn mal ein genialer Fußballer werden würde und der Nahme Scifo dadurch doch sehr bekannt wurde, konnte ja damals niemand ahnen. Diese Ehre wäre ihm wohl auch in einem fußballbegeisterten Italien zuteil geworden. Als Flüchtlinge (auch nicht mit der Vorsilbe „Wirtschafts…“) würde ich ihn und seine Familie aber doch nicht sehen. Ist mein Sohn ein Flüchtling, wenn er als Eifeler in Luxemburg arbeitet?

  3. Ekel Alfred

    @ OD, ist es nicht so gewesen, dass wir die Italiener, die Polen sowie die Spanier, die alle gemeinsam unsere Kultur und Religion gutheissen, gebeten haben, zu uns zu kommen. Damals war die Arbeitslosigkeit hier bei uns 0%. Diese Bürger kann man nicht als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnen. Auch gilt in diesen Ländern die Gleichstellung für Frau und Mann, im Gegensatz zu den meisten heute zu uns kommenden Flüchtlingen aus aller Herren Länder, besonders dem Islam….

  4. Ein Wirtschaftsflüchtling ist jemand, der aus wirtschaftlichen Gründen einwandert, woran nichts verwerfliches ist, der aber vorgibt, ein Flüchtling zu sein.
    Das tut aber nur derjenige, der die formalen Bedingungen zur Einwanderung nicht erfüllt.

  5. Ich habe das Gefühl, hier gibt es Leute, die drehen schon durch, nur wenn sie das Wort „Flüchtling“ lesen. OD hat „Flüchtlingskind“ geschrieben, wahrscheinlich in Anspielung auf die Flüchtlingskrise. OD hätte auch schreiben können „Vom Kind von Einwanderern zum Fußballstar“, aber das wäre wohl zu banal gewesen. Das Wort „Flüchtling“ ist ein Reizwort heute. Einige bekommen sofort Hautausschlag, wenn sie das Wort hören oder lesen. Ist schon eine Obsession.

  6. Ohlalalala

    Das Wort „Flüchtling“ ist ein Reizwort heute. Einige bekommen sofort Hautausschlag, wenn sie das Wort hören oder lesen. Ist schon eine Obsession.

    Funktioniert doch prima.
    Eine Kombination wäre noch besser : Tihange-Flüchtling :-DDDDD

  7. Rudi Bucher

    Meine Frau kommt ursprünglich aus dem selben Dorf in Sizilien. Ich habe sie noch nie als „Flüchtlingskind“ wahrgenommen. Wie viel Deutsche kommen in die Schweiz um zu arbeiten? Sind das auch Flüchtlingskinder? Übrigens war ich auch schon in La Louvrier. Ob es denen so viel besser geht, als jenen, die zuhause in Sizilien geblieben sind? Darüber traue ich mir kein Urteil zu fällen. Auf jeden Fall sind sie dort mehr assimiliert als jene, die in die Schweiz zugereist sind. Kaum ein Kind der 2. oder 3. Generation spricht im Alltag noch italienisch. Sogar die erste Generation ist fast vollständig auf französisch eingestellt.

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