Gesellschaft

Der Umgang mit der Trauer ändert sich: Veröden unsere Friedhöfe?

Mehrere verwaiste Grabstätten nebeneinander auf dem Eupener Friedhof. Auf dem Grabstein links wurde der Name der Familie mit einem schwarzen Band überklebt. Foto: OD

In diesen Tagen ist auf unseren Friedhöfen mehr los als sonst. Menschen richten für Allerheiligen die Grabstätten ihrer Angehörigen her, entfernen das Laub, stellen Vasen mit frischen Blumen auf. Und doch ist nicht zu übersehen, dass die Friedhöfe heute nicht mehr die große Bedeutung haben wie einst. Der Umgang der Menschen mit der Trauer hat sich im Laufe der Jahre stark verändert.

Immer mehr Gräber sind verwaist, Erdbestattungen in einem Wahlgrab sind nicht mehr die dominante Bestattungsform. Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, spricht in einem Artikel zum Thema „Wandel und Trends in der Bestattungskultur“ von einem „Wandlungsschub“.

Eine gewachsene Vielfalt unterschiedlicher Angebote von Bestattungsformen eröffnet individuelle Wahlmöglichkeiten, die nicht selten von den überlieferten Traditionen abweichen.

Getrauert wird heute nicht mehr nur konkret in Tränen und emotionaler Ergriffenheit, sondern auch im Internet. QR-Codes auf Grabsteinen können auf die Lebensgeschichte des Verstorbenen im virtuellen Raum verweisen und erhalten zugleich einen konkreten Ort der Trauer an einem Grab.

„Hier gehen neue Trends und gewachsene Formen der Trauer am Grab eine gute Verbindung ein“, so Wirthmann.

Das Totengedenken hat an Bedeutung verloren. Foto: Shutterstock

Das Totengedenken hat an Bedeutung verloren. Foto: Shutterstock

Andererseits ist laut Wirthmann eine Sinnentleerung von Riten und Bräuchen im Umfeld von Bestattung und Trauer festzustellen. Diese Entwicklung stellt auch die Kirchen vor neue Herausforderungen, wenn beispielsweise Gebete und Riten nur noch von einer kleinen Zahl von Trauergästen verstanden werden. „Die schnellere Lebenspraxis ist es, die sich auf die Bestattungskultur auswirkt“, sagt der Theologe: „Wir haben eine größere Mobilität der Familienstrukturen, die oft weit verstreut leben. Deswegen suchen Menschen auch nach einer Grabform, die dem entspricht.“

Das erkläre den Trend zur Feuerbestattung. Die Urne bietet verschiedene Formen, die das Erdgrab nicht ermöglicht. Doch: „Verstorbene sollen nicht in diese Mobilität einbezogen werden“, fordert Wirthmann. Grabeskirchen, Kolumbarien, verschiedene Varianten auf dem Friedhof bis hin zum Verstreuen (wenn es die Friedhofsatzung erlaubt) und Bestattungen in Naturräumen sind möglich. „Gerade das Verstreuen birgt jedoch große Probleme“, sagt Wirthmann. „Es gibt keinen speziellen Ort, an dem Angehörige trauern können.“

Ruhefristen auf Friedhöfen werden oft nur einmal in Anspruch genommen und nicht verlängert. „Das führt dazu, dass Identitätsorte für Familien und Menschen verloren gehen. Die Ex- und Hopp-Mentalität wirkt sich auch hier aus.“

Menschen geben heute – teilweise notgedrungen, teilweise bewusst – weniger Geld für eine Bestattung aus. „Deshalb findet sie in manchen Fällen nicht mehr in einem würdigen Rahmen statt. Tod und Sterben sind auch in unserer offenen Gesellschaft noch immer ein Tabuthema, deshalb wissen viele Menschen nicht, was eine Bestattung kostet, und haben in dieser Hinsicht kein Preisgefühl“, erklärt Oliver Wirthmann.

Vor Allerheiligen werden die Gräber geschmückt. Foto: OD

Vor Allerheiligen werden die Gräber geschmückt. Foto: OD

Positiv bemerkt der Trauer-Experte allerdings, dass Trauer unkonventionellere Formen annimmt, die Menschen sich nicht mehr vorschreiben lassen wollen, wie sie trauern. „Der soziale Druck hat abgenommen. Bei der Vielfalt der Formen merkt man, dass die kirchliche Beteiligung noch immer wichtig, aber bei weitem nicht mehr selbstverständlich ist.“

Es findet eine Verschiebung zum „Diesseits“, zum weltlichen Leben statt. „Das erklärt auch, weshalb in einigen Fällen geringerwertige Waren im Rahmen der Bestattung gewählt werden. Das diesseitige Leben spielt eine größere Rolle als früher, als man noch intensiver an ein Leben nach dem Tod glaubte.“ Er empfiehlt: „Man sollte sich immer die Frage stellen, ob die Bestattung zu dem Leben des Verstorbenen passt und ihm gerecht wird.“

Wohl zu überlegen ist laut Wirthmann auch der Weggang vom traditionellen Familiengrab. „Vielen ist nicht bewusst, dass die Urne auch im Familiengrab beigesetzt werden kann.“ (cre)

24 Antworten auf “Der Umgang mit der Trauer ändert sich: Veröden unsere Friedhöfe?”

    • Harald v. G.

      Ganz besonders bei den Bestattern, die die Hinterbliebenen schröpfen wo es nur geht. Der Branche geht’s prima.
      Vielleicht wird es doch mal wieder Zeit für eine Rückbesinnung auf die Zeit als die Hinterbliebenen noch selber das Grab aushoben, ein befreundeter Tischler die Kiste baute, die Angehörigen die Leiche eigenhändig hineinhoben, und die Hinterbliebenen die Grube selber wieder zuschaufelten.
      Ob mit oder ohne Pfaffen, die Wahl haben wir heute glücklicherweise als bürgerliche Freiheit erstritten.

  1. blauäugig

    Ist aber auch ein Phänomen in Eupen, denke ich. Wenn ich Friedhöfe in den umliegenden Ortschaften sehe: kaum ungepflegte und keine mit Mulch zugeschüttete Grabstätten. Keine Gemeindearbeiter die mit lautem Getöse das Laub vom Weg wegpusten, das dann auch noch teilweise auf die Gräber fliegt. Keine Liefer- oder Kleinlastwagen von Unternehmen, die glauben bis an die Grabstätte heranfahren zu müssen und die Wege kaputt fahren. Keine Abfallcontainer, die ständig überquellen.

    Zu Zeiten des Herrn Kohnen und später gab es das nicht! Da war der Friedhof noch ein Ort der Ruhe und Besinnung und kein lauter Rummelplatz!

    • karlh1berens

      Die verwaisten Gräber haben ausnahmsweise mal rein garnichts mit den Gemeinden zu tun. Höchstens sind die Gemeinden daran schuld, dass mitunter auch einige ziemlich gut erhaltene Grabstätten einfach so „verschwinden“. Das müsste nicht sein.

      • Stiller Beobachter

        @ Karl 1 , nur zur Bemerkung ; In St-VITH auf dem Friedhof , in der ganz unteren Hälfte , dort befinden sich etliche Gräber in erbarmungslosem Zustande . Die Personen , welche dort ruhen , kannte ich sehr gut aus meiner Jugendzeit , das denen ihr Leben etwas ausuferte hat absolut nichts hiermit zu tun und ändert nichts an dieser Tatsache . Es müsste der Stadtverwaltung auch aufgefallen sein , das dieser Zustand einer Handlung bedarf und nicht darüber hinwegsehen .

  2. Sachverständiger

    Die Verödung der Friedhöfe geht einher mit den sich leerenden Kirchen. In unserer Zeit der zweiten Aufklärung, wissen die Menschen nicht mehr was sie noch glauben sollen. Es findet eine große Desillusionierung statt. Dank ZDF-Info und co bleibt kein Platz mehr im Universum für das Paradies. Es gibt nur Gasbälle, Kometen, schwarze Löcher und weisse Riesen. Unser altes Weltbild mit Hölle und Himmel ist weg. Das Fegefeuer, früher Wartesaal für alle Sünder, ist schon seit geraumer Zeit abgeschafft worden.
    Noch vor fünfzig Jahren hätte ein Schwuler keine Chance gehabt ins Paradies zu kommen, selbst wenn er nur in Gedanken gesündigt hätte. Heute weiss keiner mehr genau Bescheid.
    Überhaupt, das Leben nach dem Tod ist reine Privatsache geworden und hängt für viele nicht mehr davon ab, ob drei oder vier Quadratmeter Grab irgendwo auf der Welt nun gepflegt sind oder nicht. Schon das Verstreuen der Asche ist ein Zeichen dafür, dass der Verstorbene nicht mehr ortbar bleiben muss.
    Dabei muss man wissen, dass Historiker die Erlangung von Kultur bei einem Volk davon abhängig machen, ob dieses seine Toten beerdigte. Der Mensch wurde also erst sapiens, als er begann seine Vorfahren zu begraben. Die Krönung der Beerdigungskultur finden wir ja bekanntlich bei den alten Ägyptern; doch wohl auch die naivste Sichtweise auf ein Leben nach dem Tod. Von Innereien und Gehirn befreit und eingemacht sollte die sterbliche Hülle im Jenseits weiterleben. Heute liegen hunderte Mumien in Glaskästen in den Museen der Welt und werden von Japanern geknippst. Ob das so geplant war? Was passiert bei solchen altertümlichen Vorstellungen wohl mit Menschen die nicht an einem Stück ins Jenseits eintreffen. Ich denke da an die Millionen Soldaten, die seit Erfindung von Granaten und Sprenstoff pulverisiert wurden.
    Auch den rückständigen Islam sollte man nicht ausser Acht lassen; jeder islamistische Selbstmörder glaubt ja, auch wenn er sich bis zur Zellteilung in die Luft gesprengt hat, dass er im Paradies noch weltlichen Freuden nachkommen könnte.

    • Die Informationen über Weltall und Co sind doch immer nur Stückwerk.
      Jede neu entdeckte Antwort auf das „Woher“ und „Warum“ deckt neue Fragen auf.
      Eine Wissenschaft, die mehr Fragen aufdeckt als Antworten findet ist mit Sicherheit nicht geeignet, die Fragen nach dem „Danach“ zu beantworten.
      Der Totenkult ist Teil menschlicher Kultur, die im jetztigen Westen zu Grabe getragen wird und von orientalischen Kulturen total verdrängt wird.

  3. Willy Münstermann

    Wer hat den neuen Friedhof in Lontzen gesehen, vor lauer Laub und Dreck sieht man so manches Urnengrab fast nicht mehr. Dazu Lontzener möchtegernE Bürgermeister R. Franssen „NATUR BELASSEN.

  4. ?_?_?_?_?_?_

    Haben die Menschen überhaupt noch Zeit um die Gräber zu pflegen ?
    Besser … nehmen die Menschen sich überhaupt noch Zeit um die Gräber zu pflegen ?

    Zeit ohne Zeit

    Wir haben Welttheater in den Fernsehschränken,
    wir haben PKW’s mit Schallgeschwindigkeiten,
    wir haben alles, was sich Menschenhirne denken,
    doch eines nicht mehr.

    „Wir haben keine Zeit!“

    Wir haben keine Zeit mehr für das Innenleben
    und keine Stund’ mehr übrig für Gemütlichkeit,
    wir haben kaum noch Zeit, die Hände uns zu geben,
    und der Ruf des Tages lautet;

    „Keine Zeit!“

    Wir jagen alle rastlos über unbegrenzte Straßen,
    und haben niemals Zeit mehr zur Zufriedenheit.

    Wir haben, und zwar auch dies auch „nur“ gezwungenermaßen,
    „gerade für das Sterben noch ein Viertelstündchen Zeit

  5. Postulant. Explicare interdum ad me

    Wann holen wir den Tod wieder ins Leben zurück?

    Mir fällt auf das der Verfasser des obigen Artikels wohl auch keine große Lust verspürte Eigenes zu dieser Thematik zu verfassen. Das Fremdgehen bei solchen Themen erspart wohl eine Menge an Nachfragen aber nimmt dem Geschriebenen seinen emotionalen Charakter.

    Auch ich gehöre noch zu der Generation welche als Kind erstaunt die Menge an Kindergräben auf dem hiesigen Friedhof zur Kenntnis nahm. Ja, die Kindersterblichkeit war immer noch sehr hoch und erwachsen werden war nicht das selbstverständlichste.
    Alte Leute starben zu Hause, arbeitsbedingte Unfälle waren immer noch an nder Tagesordnung, gegen viele Krankheiten, die tödlich verliefen, konnte man nicht viel tun. So erlebten wir als Kind den Tod regelmäßig in seinen vielfältigen Ausprägungen und konnte frühzeitig lernen, wie man damit umgehen sollte/ könnte/ musste. Auch wenn im Laufe der Jahre dank Fortschritt vieles anderes wurde, so bleibt doch noch etwas davon zurück.

    Der Tod ist aus dem Alltag verschwunden. man stirbt heute Bitteschön in Hospitälern und Heimen. Tod und Sterben sind Tabuthemen geworden, bis das Schicksal jemanden durch einen Todesfall unerbittlich dazu zwingt, sich mit der Sterblichkeit zu beschäftigen.
    Dadurch verdrängt man heute auch die Planung der eigenen Vergänglichkeit. In vielen Familien war es eine Selbstverständlichkeit frühzeitig Rücklagen für das eigene Ableben zu bilden. Man hätte genaue Vorstellung vom wie die eigene Bestattung durchzuführen war. Und heute?

    Wie wärs mit einer Öfteren und offenerer Aussprache über das Unvermeidliche. Sich rechtzeitig in die eigene Endlichkeit einzuüben fördert die Einsicht, dass die Autonomie am Ende doch begrenzt und die Abhängigkeit von anderen groß sein könnte. Ein wenig davon spiegelt auch der Zustand unserer Friedhöfe wieder.

  6. Friedhöfe sind nicht mehr zeitgemäss!
    Platzverschwendung, Wartungs und Kostenintensiv.
    Die Zeiten wo man den „geliebten“ Verstorbenen ein Denkmal errichten „musste“, scheinen langsam vorbei zu sein!!!

  7. Alexandra

    Raeren und Eynatten immer Top und Rücksichtsvoll gepflegt.
    Jedoch sind die Kosten einer Erdbestattung sehr hoch…..30 Jahre Totenruhe müssen gepflegt und Finanziert werden genau dieser Grund warum sich meine schon Verstorbene FFamilienmitglieder sowie die Lebenden entschieden haben sich verbrennen zu lassen.
    Dieses Thema sollte in allen Familien auch in Jungen Jahren besprochen werden.

    • Es reicht!

      Lassen Sie sich ruhig verbrennen der Restmüll der Interkommunalen AIVE und INTRADEL wird ja auch verbrannt! Und da Sie die Kosten anführen so scheint es doch so zu sein das Geld die Welt regiert. Aber ich kann Sie beruhigen die Gemeinden werden im Fall von weniger Erdbestattungen die Gebühr auf Feuerbestattungen bzw. Urnenbeisetzungen drastisch erhöhen (die Kosten werden sich in etwa angleichen). Einen Grund hierfür wird den Gemeinden schon einfallen denn die Gemeinden sind auf diese Einnahmen angewiesen.

  8. Der Friedhof in Eupen ist alles andere als verödet. Die Gräber sind allesamt gut unterhalten, einige Konzessionen sind abgelaufen und dann ist es klar, dass die Friedhofsverwaltung die Namen überklebt. Aber auch solche Gräber werden dann mit Mulch gegen Unkraut geschützt.
    Der Eupener Friedhof ist der mit Abstand schönste der ganzen DG, mit einem wunderschönen Baumbestand und alten, historischen Gräbern.
    Das Problem mit leerstehenden Gräbern durch Urnenverbrennung gibt es überall. Vielleicht nicht in entlegenen Alpen-und Eifeldörfern wo es noch keine Urnenbestattung gibt, aber auch da sind die Friedhöfe zu gross da die jungen Leute anderswohin gehen, wo es Arbeit und eine bessere Infrastruktur gibt.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern